Ali ist 17 Jahre alt. Sein gesamtes Leben ist eine Suche: Als er sieben Jahre alt war, musste er mit seiner Familie von Afghanistan nach Iran fliehen. Mit 16 floh er aus dem Iran. Das ist die Geschichte seiner Flucht, die Geschichte eines Windes ohne Heimat.
Guten Tag, ich möchte mich gerne erstmal vorstellen. Ich bin Ali und 17 Jahre alt. Meine Mutter und wir vier Brüder haben Afghanistan in Richtung Iran verlassen, als ich 7 Jahre alt war. Viele Erinnerungen habe ich nicht mehr als Bilder in meinem Kopf von dieser Zeit. Und nach den Gründen für unsere Flucht in den Iran habe ich häufig meine Familie gefragt.
Sie erklärten mir, dass der Grund dafür der Konflikt zwischen den verschiedenen fundamentalistischen Gruppen war. Als meine Mutter meinen Vater kennenlernte, war alles ganz normal, doch im Laufe der Zeit schloss er sich auch einer fundamentalistischen Gruppierung an. Ein weiterer Grund war, dass meine Eltern verschiedenen Richtungen des Islams angehörten. Meiner Vater ist Sunnit und meine Mutter Shiitin. Es gab einige Konflikte deswegen, als sie sich kennenlernten, doch ihre Familien akzeptierten es. Außerdem wussten wir nicht davon, dass bei der Hochzeit mit meiner Mutter, mein Vater noch eine weitere Frau hatte. Im Laufe der Zeit geriet mein Vater zunehmend unter den Einfluss der Taliban, die eine starke Wirkung unter den Sunniten hatte. Die Konflikte und Probleme mit meinem Vater nahmen zu. Das erzählte mir meine Mutter, wenn ich sie nach den Gründen für unser Verlassen Afghanistans fragte. Nach Absprache mit ihrem Vater und ohne Wissens von meinem Vater oder anderen näheren Verwandten, flüchteten wir in den Iran. Natürlich war es eine schwierige Situation, für eine alleinstehende Frau mit fünf Söhnen. Wir Geschwister mussten mit unserer Schule und Studium aufhören und anfangen zu arbeiten. Meine Mutter arbeitete in einem Hotel als Putzfrau. Dort lernte sie eine alte Frau kennen, die meiner Mutter ermöglichte bei ihr im Haus zu arbeiten, anstatt im Hotel. Die Arbeit war eine gute Möglichkeit für meine Mutter, denn sie pflegte die Frau. Meine Mutter hatte bereites Erfahrungen und fühlte sich sehr wohl damit.
Jetzt möchte ich gerne ein paar Sätze über mich sagen: meiner Mutter sagte mir, ich solle auf jeden Fall in die Schule gehen und nicht das selbe Schicksal wie meine Brüder teilen, sondern Bildung erfahren. „Sei anders als deine Brüder“, sagte sie, „hab eine gute Karriere.“ Ich habe viel über dieses Thema nachgedacht, meine Zukunft. Viele Fragen haben mich beschäftigt. Auch, was meinen Vater dazu bewegt hat, einen anderen Weg einzuschlagen und uns dieses Leben zu hinterlassen. Als wir im Iran war hatten wir keinen Kontakt zu ihm, ich wusste nicht wie es ihm geht und was er macht. Ich beendete dann meine Grundschule (9. Klasse) und wollte eine Ausbildung im Bereich Computer (IT) machen. Aber ich konnte mir leider meinen Wunsch nicht erfüllen und diesen Bereich, weil die Erlaubnis dazu nur Iraner hatten und keine Ausländer wie ich. Die Islamische Republik Iran verbot uns dies und wollte stattdessen nur, dass wir arbeiten. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Aber andauern dachte ich „warum nicht? warum darf ich das nicht?“
(2) Problematisch war außerdem, dass viele afghanische Flüchtlinge wieder aus dem Iran zwangsausgeliefert wurden. Dann konnte man sich aber nicht mehr sicher sein, ob man überhaupt weiter leben kann. Als Optionen gab es: zurück nach Afghanistan, Syrien (durch Festnahme von Polizei) oder nach Europa? (März 2015) Ein Cousin meiner Mutter, der in Istanbul lebt, sagte mir, die Reise nach Europa sei zu gefährlich, aber ich könne auch in der Türkei mein Studium aufnehmen. Also entschied ich mich dafür.
Nach Beginn des neuen Jahres hatte ich nur wenig Zeit mich zu entscheiden. Ich erhielt einen Anruf vom Cousin und machte mich auf den Weg. Erstmal nach Teheran, an einem Donnerstag. Ich blieb dort über Freitag, unseren islamischen Feiertag, bis Sonntag in einer Unterkunft. Dann erhielt ich wieder einen Anruf und setzte meine Reise fort. Sonntag früh sollte ich losfahren und zum Platz der Freiheit kommen (Teheran). Dort befand sich ein Taxi stand und rief den Anrufer zurück. Ich sah, wer sein Handy herausnahm und wusste, er ist es. Also setze er mich schnell in ein Taxi. Busfahren sei zu gefährlich, aufgrund der iranischen Polizei. Im Taxi saßen zwei Frauen, ein Mann und ein kleinen Kind, zusammen mit mir. Ich sollte das Kind auf meinen Schoß nehmen, damit im Falle einer Kontrolle die Polizei denkt, wir seien eine Familie. Wir fuhren bis Täbris (Tabriz), in der Nähe zur türkischen Grenze.
Wenn man nach Tabriz kommt, wartet normalerweise eine Nacht und fährt dann weiter. Aber unser Fahrer war schnell und hielt nicht einmal in Tabriz, sondern fuhr weiter. Als wir durch Tabriz fuhren, befand sich auf einmal ein anderes Auto vor uns. Auf meine Nachfrage erklärte der Fahrer mir, dass das Auto auch zu uns gehörte und im Falle von Polizei oder Kontrollen uns warnen würde. Wir fuhren weiter und erreichten eine Halle, in der ein leerer LKW stand. Normalerweise transportierte er Güter oder Schafe. Stattdessen bestiegen wir ihn nun, zusammen mit dreißig oder vierzig anderen, die die Halle auch erreicht hatten. Der LKW war so gebaut, dass man im stehen über den Rand schauen konnte. aber uns wurde gesagt, wir sollten uns ruhig verhalten und ducken. Auch die Kinder, die viel geschrien haben. Der Fahrer fuhr schnell und komische Wege. Immer wieder bemerkten wir, dass wir Dörfer durchquerten, denn dann hörten wir draußen verschiedene Stimmen. Einmal stoppten wir und kurdische, uniformierte Männer hielten uns an uns sprachen mit dem Fahrer. Doch die Fahrt ging weiter. Oft befürchtete ich, wir würden umkippen, so schräg lag der LKW manchmal. In einem der Dörfer hielten wir und konnten Essen und uns etwas ausruhen, denn wir durften aussteigen. Als wir wieder am LKW ankamen, war die
Situation viel ruhiger und geordneter. Wir fuhren weiter, es war bereits Abend. In der Ferne konnte man eine Reihe von Lichtern erkennen und uns wurde gesagt, dies sei die Grenze. Wir dachten, dass kann ja nur zehn Minuten entfernt sein, doch wir fuhren und fuhren. Irgendwann mussten wir aussteigen, denn die letzten Wege mussten wir zu Fuß gehen. Wir bis fünf Stunden waren wir unterwegs, gingen bergauf und bergab. Endlich erreichten wir die Lichter, die wir von weitem bereits im LKW gesehen haben. Wir wussten, wir sind der Grenze sehr nah. Wir trafen kurdische Schäfer, die auch ein wenig persisch sprechen konnte. Einer von ihnen warnte uns davor, dort die Grenze zu überqueren, denn es befanden sich Minen dort. Ich hatte Angst.
Die Schäfer, mit denen wir sprachen, waren in Wirklichkeit Teil einer Schlepperbande, die sich in der Grenzregion verteilt. Und einer von ihnen half uns nun. Wir liefen weiter, bis wir die Grenze erreichten, einer der „Schäfer“ begleitete uns und zeigte den Weg. Plötzlich begann es zu schneien. Zwei Möglichkeiten hatten wir zu Laufen, sobald wir den Berg verlassen würden.
Es gibt verschiedene Situationen, die man an der Grenze erlebt: als wir an der Grenze ankamen, waren die Lichter, die wir die ganze Zeit ansteuerten, plötzlich aus. Schnell sollten wir die Grenze überqueren, weil die Grenzsoldaten nicht von uns wussten. Manchmal ist es aber auch so, dass die Schleuser Kontakt zu den Soldaten haben und sie bestechen. Selbst wenn man dann von iranischen Soldaten an der Grenze verhaftet wird, kann man sie dann noch überqueren.
Nachdem wir die Grenze überquerten und uns dann in der Türkei befanden, mussten wir weiterlaufen. In der Ferne sahen wir wieder schwache Lichter. Es war kalt, es schneite und alle waren durchnässt. Ich sah eine Licht in der Nähe und ging dort hin. Ich traf einen Mann und er nahm mich mit. Uns wurde gesagt, sollten wir kontrolliert werden, sollten wir sagen, wir gehören zu Person X. Der Mann brachte uns und ein paar andere zu einem Stall. Dort machte man uns Feuer. Ich war so müde und legte meine Brille ab. Leider zerbrach diese, weil sich eine Frau drauf setzte. Ich schlief ein.
Am nächsten Morgen warteten über 150 Leute vor der Tür, in einer großen Schlange. Das Kommando hieß: weiter laufen. Wir sollten die Berge überqueren, wir liefen über 8 Stunden. Morgens um 4 begannen wir, nachmittags erreichten wir dann einen Platz. Wir sahen bereits von oben, dass dort viert Autos warteten. Es war wenig, für die Menge an Menschen, doch wir sollten uns alle hineinquetschen. Wir fuhren bis in ein Dorf, wo eine Kontaktperson wartete. Wir wurden auf verschiedene Zimmer verteilt. Es gab viele Überwachung, denn wären wir geflohen, hätten die Schlepper ihr Geld nicht erhalten, denn sie müssen unsere Sicherheit gewährleisten. Die Schlepper werden also nur nach Erfüllung unseres Schleusens bezahlt. Die zwei, drei Tage, die wir im Dorf blieben, konnten wir gut Essen.
Meine Schwierigkeiten (die schwierigste Zeit) begannen an diesem Ort. Ich stieg in einen der Busse, in Richtung Istanbul. Ich sprach mit dem Fahrer und erzählte ihm, dass ich in eine andere Stadt wollte, nach Ankara. Eigentlich sollte meine Reise nach Marash gehen, weil ich dort einen Bekannten hatte. Ich wurde in einen anderen Bus gesetzt, der mich nach Ankara bringen sollte, weil es so die einzige Möglichkeit war. Mitten auf dem Weg konnte ich nochmal den Bus wechseln, um tatsächlich nach Marash zu kommen. Viel Polizei und Kontrollen waren auf dem Weg, dort ich erreichte meinen Freund. Ich blieb eine Woche, aber ich wurde krank und musste mit Magenproblemen ins Krankenhaus. Ein Bekannter meines Freundes gab mir seine Versicherungskarte, denn wir sahen uns ähnlich. Ich hatte als Glück und musste für meinen Aufenthalt nichts zahlen. Ich blieb eine Nacht.
Mit meinem Bekannten fuhr ich nach der einen Woche dann zusammen nach Ankara. In Ankara gingen wir zu einem Büro der UNO, um mich registrieren zu lassen. Sie schickten mich nach Burdur. Ich fuhr also dorthin und meldete mich bei der verantwortlichen Stelle. Ich sollte erst nach Monaten wiederkommen, damit sie meine Fingerabdrücke aufnehmen konnten, sie schickten mich also weg. Ich schlief erstmal an einer Busstation für die nächsten Tage. Irgendwann rief ich den Verwandten meiner Mutter an und er holte mich nach Istanbul.
Er arbeitete dort in einem Textilbetrieb, eine gute Position. Er nahm mich dort zum Arbeiten auf, aber nur für eine Woche. Leider verließ unser Verwandter Istanbul dann – in Richtung Deutschland. Die Stelle meines Verwandten wurde doch einen Araber besetzt. Schnell begann er damit, alle Positionen von Nicht-Arabern neu zu besetzen. Also verlor ich meinen Job. Zum Glück hatte ich aber eine Unterkunft.
Über einen Monat suchte ich nach einem Job und fand nichts. Ich erfuhr aber von einem Mann, der Jobs gegen Geld vermitteln würde. Für 200 Lira vermittelte er mich an die bulgarische Grenze als Schäfer. Ich fuhr mit dem Bus für 30 Lira in eine Stadt nahe der Grenze. Ich fuhr also in das Grenzgebiet von der Türkei und Bulgarien und rief eine Nummer an, die mehr der Job-Vermittler gab. Ich wurde abgeholt und zur Farm gebracht. Die Unterkunft war sehr heruntergekommen. Ich konnte nur meine Sachen ablegen und sollte direkt anfangen zu arbeiten. Schafe und Ziegen sollte ich zum Melken bringen. Ich begann also direkt zu arbeiten, gleich von 5 Uhr nachmittags bis nachts um 12. Zusammen mit anderen Afghanen gab es etwas zu essen. Bohnen gab es, das werde ich nicht vergessen. Ich war sicher, ich könnte am nächsten Tag etwas ausschlafen, doch um halb sechs wurde ich zum Frühstück geholt. Jeden Tag musste ich von sechs Uhr morgens bis 12 Uhr nachts arbeiten. Angsteinflößend war das Auftreten des Mannes, für den wir arbeiteten. Er hielt uns wie seine Sklaven. Drei Wochen hielt ich es aus. nach dieser Zeit waren meine Hände sehr kaputt. Ich hatte Angst, zum Besitzer zu gehen und im zu sagen, dass ich kündigen wollte. Er respektierte aber meine Entscheidung und gab mir meinen Lohn. Alle waren überrascht, dass ich tatsächlich mein Geld erhielt.
Ich nahm den Bus zurück nach Istanbul. Ich traf den Vermittler wieder und beschwerte mich darüber, was er mir für einen Job besorgt hatte. Aber ich bat ihn nochmal darum, mir eine neue Arbeit zu suchen. Dieses Mal bot er mir an, auf einer Hühner Farm in Inegöl zu arbeiten.
Meine neue Kontaktperson war eine sehr gebildete Person und wir konnten uns gut mit meinen Englischkenntnissen verständigen. Es gab eine Frühschicht und eine Spätschicht. ich entschied mich für die Frühschicht und kümmerte mich mit zwei Pakistani und einem Afghanen darum, dass die Hühner ihr Futter erhielten. Wir füllten eine Maschine und passten auf, dass alles richtig verlief. Einmal brach ich mir den Finger beim Arbeiten, denn ich versuchte eine Leere Futterschale wieder zu aufzufüllen
Der Betreuer konnte mir aber nicht weiterhelfen, denn Verbandszeug gab es nicht und das Krankenhaus wäre zu gefährlich für den Arbeitgeber gewesen. Also erhielt ich nur meinen Lohn und musste wieder nach drei Wochen meine Arbeit verlassen und nach Istanbul zurückkehre. Wieder blieb ich bei meinen Freunden, bei denen ich von Anbeginn an schon schlief. Zum Glück hatte ich nun wieder etwas Geld.
Ich lernte einen Jungen aus Afghanistan kennen. Ich erfuhr, dass er bereits einige nach Griechenland gebracht hatte. Ich war bereits am Überlegen, ob ich zurück in den Iran kehren sollte. Dann erhielt ich einen Anruf. Ich wurde gefragt, ob ich ein Boot fahren könnte, er solle nicht so schwer sein. Ich hatte auch kein Geld um eine Fahrt zu bezahlen.
Ich bat einen Freund in Australien, ob er mir Geld leihen konnte. Über einen Bekannten erhielt ich 400 Euro. Und ich entschied, dass es so nicht mehr weiter gehen konnte. Dass dies, so wie es zurzeit war, nicht mein Leben sein konnte. Also entschied ich, nach Europa zu gehen und sagte zu, das Boot zu steuern.
*Gebrochener Finger: der Afghanische Freund brachte mich zu einem Platz, an dem Kranke behandelt werden (Dipo Name Platz)
Wir wurden bis zum Strand gefahren, von dort aus sollte dann die Überfahrt (Zeytinburnu) starten. Das Boot wurde geholt. Mir wurde die Richtung gezeigt und man sagte mir: die Lichter, die du dort siehst, das ist Griechenland. Dort musst du hin. 43 oder 44 Passagiere saßen mit an Board. Ein paar Meter wurde ich von einem der Schlepper begleitet, ehe er von Board sprang, zurück an den Strand.
Ich war unsicher, denn ich hatte das Gefühl, ich fuhr in die falsche Richtung. Doch ein Mann gab mir ein Orientierungspunkt. Einmal passierte uns ein großes Schiff und unser Boot lief voll Wasser. Alle Passagier versuchten das Boot leer zu schöpfen. Nach drei Stunden erreichten wir Griechenland.
Vor Abfahrt gab man mir ein Messer und erklärte mir, ich sollte das Boot bei Ankunft in Griechenland zerstören. Denn wir fuhren auf einem Gummiboot. Der Gedanke dahinter war, dass es kein Boot mehr geben sollte, auf dem wir von der griechischen Polizei hätten zurück geschickt werden können. Auch der Motor wurde schnell weggeräumt. Also war genau geplant und organisiert. (auf Lesbos)
Ich war sicher, jetzt würde es sehr schnell gehen und ich könnte mich irgendwo registrieren. Doch wir mussten wieder zwei Tage Fußweg bis zum nächsten UNO Camp zurücklegen. Aufgrund einer Verwechslung nahm jedoch jemand meinen Platz im Camp ein und ich wurde vergessen. Eine Woche blieb ich, dann kaufte ich mir mit Freunden ein Ticket in Richtung Athen. Bevor wir dann auf das Schiff steigen konnte, schlief ich außerhalb des Camps in einem Park.
Angekommen in Athen konnte ich bei einem Bekannten bleiben. Das war sehr schön und ein wenig Erholung, nach der anstrengenden Zeit. Nach 5 Tagen machte ich mich mit meinen Freunden auf den Weg nach Mazedonien. Innerhalb einer Gruppe von rund 50 Flüchtlingen überquerten wir die Grenze. Im Zug in Mazedonien in Richtung Serbien lernte ich einen alten Mann kennen – auch einen Afghanen. Ich traf eine Abmachung mit ihm. ich würde bis Ende der Reise sein Gepäck tragen – im Gegenzug sollte er mich überall als seinen Sohn vorstellen. Wir erreichten Serbien und sollte in Grenznähe eigentlich zu einem der Camps gehen. Stattdessen überquerte ich die Grenze durch einen Wald. Ich nahm ein Taxi in eine der Grenzstädte und von dort aus ging es weiter in die serbische Hauptstadt. Dort nahm ich wieder einen Bus nach Ungarn. Ich war immer noch mit meinem „Vater“ unterwegs. Eigentlich sollten wir dort unsere Fingerabdrücke abgeben, aber wir taten es nicht. Wir nahmen ein Taxi von der Grenzstadt bis nach Budapest. Ich trennte mich von dem alten Mann. Mit meinen letzten 20 Euro kaufte ich mir ein Zugticket von Budapest nach Wien.
Ich sprach mit der Polizei in Wien und man setzte mich in den Zug nach München. Ich musste nichts zahlen und viele Flüchtlinge waren mit mir unterwegs.
Ich weinte fast, als ich sah, wie man uns mit offenen Armen am Hauptbahnhof in München empfang. Wir wurden mit Bussen in Lager gebracht. Eine sehr nette Frau gab mir eine Sim Karte – die nutze ich immer noch. Sofort rief ich meine Mutter an, um ihr zu sagen, dass ich gut angekommen war. Im Camp wurde ich dann ins Krankenhaus geschickt, weil ich krank war und die anderen nicht anstecken wollte.
Ich rief meinen Bruder an – er lebte bereits in Bremen. Er holte mich im Krankenhaus ab und ich musste und „floh“ aus dem Krankenhaus, denn mein Bruder hatte bereits ein Ticket für mich gekauft. Über Frankfurt und Köln, erreichten wir dann Bremen.
Als ich in Bremen ankam, blieb ich erstmal drei Tage bei meinem Bruder. Dann meldete ich mich in der Steinsetzer Straße an. Dort blieb ich ein Monat und erhielt medizinische Versorgung. Danach schickte man mich nach Borgfeld in eine Sporthalle, in der ich fast vier Monate blieb. Ich lernte dort Uwe kennen und er hat mich nach meinen Kenntnissen gefragt. Ich erzählte ihm von meinem Interesse an Computer und wurde weiter vermittelt. Ein Bremer Unternehmer nahm mich als seinen Praktikanten auf. Dort arbeite ich immer noch regelmäßig. Die Sporthalle wurde für uns Flüchtlinge geschlossen und jetzt lebe ich in einem Gemeinschaftshotel. ich habe noch keinen Status, sondern besitze nur eine Versichertenkarte. Die Zukunft ist noch ungewiss, das macht mich wirklich verrückt. Ich war sehr froh, als ich endlich hier angekommen bin und dachte, nun sei der Stress endlich vorbei. Aber ich habe immer noch Albträume und Ängste, dass ich eines Tages wieder im Iran oder Afghanistan aufwache. Wie soll ich zurück in ein Land kehren, von dem ich nicht weiß, ob ich wieder Zuhause ankomme, wenn ich einmal vor die Tür gehe?
Ich bin nicht zum Spaß noch Europa gekommen. Und auch meine Freunde hier nicht. Aber unsere Heimat ist kein sicherer Ort mehr für uns zu leben. Seit meinem ersten Tag hier, versuche ich Teil der Gesellschaft zu werden und die Sprache zu lernen. Direkt in der Turnhalle haben wir einfach angefangen zu lernen.
Meiner Mutter ist sicher, sie ist noch bei der Frau im Iran. Ein Bruder ist hier in Bremen, einer in Dubai und zwei im Iran.