Was habt ihr nach Deutschland mitgenommen? Wann habt ihr das letzte Mal mit euren Eltern gesprochen? Seid ihr schon einmal auf Kamelen geritten?

Die Schüler der Klasse 6 D der Gesamtschule Rödinghausen hatten ganz unterschiedliche Fragen an die Gäste aus Syrien. Mohammad und Abdullah Ghunaim berichteten auf Einladung der beiden Klassenlehrerinnen Sharona Ehrenteich und Regina Keyhani von Ihrer Flucht und der Situation in Deutschland.

Die beiden Brüder aus Damaskus sind seit Oktober 2015 in Deutschland. Ihre Flucht führte sie über 4000 km und durch 10 Länder nach Köln und von dort in ihre jetzige Heimat Preußisch Oldendorf. Darüber, was sie selber
mitnehmen würden auf eine ungewisse Reise, hatten die Schüler im Vorfeld schon nachgedacht. Impulse dazu erhielten Sie in dem Filmbeitrag „My Escape- meine Flucht“, einer WDR-Dokumentation, die unter anderem auch das Schicksal der beiden Brüder aufgezeichnet hat. Umso überraschter waren sie von der Antwort von Mohammad Ghunaim, der so praktische Dinge aufzählte wie Wasser und Brot, Snickers und Feuerzeuge, Erste-Hilfe-Material, Ersatzschuhe und Schlafsack, Papiere und Stifte, Dokumente, Kamera und natürlich das Handy. „Viel mehr passte in meinen Rucksack neben ein wenig Wechselkleidung nicht hinein. Außer einer Tüte mit Erde aus meiner Heimatstadt Damaskus und einem Schal meiner Mutter“, erzählte der 25-jährige gelernte Journalist. Und ja, selbstverständlich sei er früher durch die Wüste in die Ruinenstadt Palmyra auf dem Kamel geritten – wie alle anderen auch. Schwieriger wurde es, das Thema Angst zu erklären, den Verlust von Freunden, den Abschied von der Familie und das Gefühl, wieder und wieder Grenzen zu überschreiten: emotionale wie auch staatliche. „Auf der Flucht bekommt man manchmal Angst vor seinem eigenen Mut. Aber ohne Risiko gab es für uns keine Zukunft in Sicherheit“, sagte er. Trotz der zum teils traumatischen Erlebnisse hätte es aber auch immer wieder Stunden der Hoffnung gegeben – selbst in scheinbar ausweglosen Situationen. So sei nach drei Tagen in einem Waldversteck in Küstennähe in der Türkei das lang ersehnte Boot angekündigt gewesen. Trotz der Sorge vor der Überfahrt und der erlittenen Not hätten die Menschen zu singen begonnen und wären für einen Augenblick glücklich gewesen. Zu Fuß, mit Booten, Bus und Bahnen, leichtem Gepäck und Wasservorräten von verschiedenen Hilfsorganisationen ging die Reise Stück für Stück weiter bis nach Deutschland – 17 Tage lang.

Damaskus, früher ein Schmelztiegel der Religionen und Völker, ist für die beiden Brüder nach wie vor Heimat und Zielort nach dem Krieg. „Wir wollen zurück und unserem Land beim Wiederaufbau helfen“, sagten beide übereinstimmend, bevor sich nach 90 Minuten die

Spannung löste und alle zu einem Pausensnack griffen. Zufrieden mit dem Verlauf zeigten sich auch die beiden Lehrerinnen, die ihre Schüler mit Filmmaterial über die Reichtümer der Kultur Syriens und das Kriegsgeschehen auf diese Unterrichtseinheit vorbereitet hatten. Einen Kommentar musste Sharona Ehrenteich nach dem 3-minütigen Film über den Krieg trotzdem platzieren: Das ist kein Spiel, das ist Realität. Und die hatte mit den beiden Gästen plötzlich ein Gesicht erhalten.

Mohammad Ghunaim